
Wie funktioniert Lernen überhaupt?
Lernen lernen: Was man über das Gehirn wissen sollte
Man sollte es auch. Seit in den 60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts die Forschung damit begann, sich näher damit zu beschäftigen, welche Vorgänge beim Lernen im Gehirn ablaufen, gibt es nämlich interessante, nicht nur für den Schulalltag und das Lernen in Kursen und Seminaren relevante Erkenntnisse.
Wie das Gehirn beim Lernen arbeitet
Lernen findet im Gehirn statt und das besteht, ähnlich einer geöffneten Walnuss, aus zwei Hälften, Hemisphären genannt, mit weitgehend unterschiedlichen Aufgaben. Deshalb waren Sie auch irritiert, die Wörter der Farben zu lesen und nicht den visuelle Eindruck wiederzugeben. Dabei ist die linke Hälfte die Hemisphäre der Logik; sie nimmt Informationen linear-analytisch wahr und interpretiert die Eindrücke buchstabengetreu. Die Wörter ‚R-O-T‘ oder ‘S-c-h-u-l-b-u-c-h’ etwa nimmt sie Buchstabe für Buchstabe auf, ohne jedoch den Bedeutungsinhalt als solchen zu sehen. Die linke Gehirnseite erinnert sich auch an Namen, nicht jedoch an Gesichter und sie ist darüber hinaus für das Zeitgefühl verantwortlich und für die gegenüberliegende, rechte Körperseite.
Die rechte Seite des Gehirns dagegen steht für Intuition und arbeitet ganzheitlich-bildhaft. Die einzelnen Buchstaben der Wörter ‚Rot‘ oder ‘Schulbuch’ spielen keine wichtige Rolle, dem Begriff wird vielmehr ein bestimmtes Aussehen zugeordnet. Die rechte Seite erinnert sich auch eher an Gesichter, weniger an die Namen alter Bekannten und ist darüber hinaus für das räumliche Wahrnehmen, Musikalität, Kreativität sowie die Steuerung der linken Körperseite zuständig. Diese grobe Arbeitsteilung der zwei Gehirnhälften ist für fast alle, nämlich die rechtshändigen Lerner zutreffend, bei Linkshändern verhält es sich weitgehend umgekehrt.
Was gehirngerechtes Lernen bedeutet
Am besten lernen und behalten kann derjenige, dem es gelingt, Brücken zu bauen und dessen Gehirn über den Nervenstrang in der Mitte, den corpus callosum, die meisten Verbindungen zwischen den Gehirnhälften entwickelt. In der Kinesiologie wurden dazu auch Übungen mit Überkreuzbewegungen entwickelt, bekannt auch als Lerngymnastik oder unter den Namen, Lerngymnastik und Edu-Kinästetik: beispielsweise die Lazy 8’s , die Liegenden Achten. Bei dieser Übung zeichnet man mit ausgestrecktem Arm in der Luft, zuerst mit der rechten Hand und in der Körpermitte beginnend liegende Achten , dann mit der linken Hand und anschlieβend kann man mit beiden Händen gleichzeitig Achten malen. Als kleines Kind ist es jedoch – auch ohne Übung – ziemlich selbstverständlich, beim Lernen beide Teile zu beanspruchen. Erst in der Schule, die vor allem logisch-analytisches Denken verlangt, wird die intuitiv-kreative Seite dagegen oft vernachlässigt, was zu Unlust und Lernschulschwierigkeiten beitragen kann. Wenn man sich etwas vor dem geistigen Auge vorstellt, Eselsbrücken erfindet, in Gedanken Bilder malt, Sachverhalte mit Gegenständen und Ereignissen verbindet und auch wenn beim Lernen Platz für Phantasie und Gefühl bleibt, kurzum, wenn es gelingt beim Lernen, beide Gehirnhälften anzusprechen, führt dies zu mehr Erfolg und damit auch Zufriedenheit beim Lernen.
Warum man die Dinge positiv formulieren soll
Ob ein Glas halb voll oder halb leer ist – dies ist oftmals eine Frage der Betrachtung. Ein Verkäufer würde jedenfalls nie auf die Idee kommen, das Glas halb leer anzupreisen. Die Einstellung zu den Dingen kann entscheidenden Einfluss auf den Erfolg haben und das gilt natürlich auch für das Lernen. Positiv formulierte Aussagen stärken nicht nur die Selbstakzeptanz und fördern das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten, sondern es ist auch eine Erkenntnis des gehirngerechten Lernens, dass im Unbewusstsein negative Formulierungen als solche oft nicht wahrgenommen werden. Bei dem elterlichen Verbot “ Geh nicht über die Straβe!” etwa blieben demnach im Gehirn lediglich die Signalwörter “Geh!” und “Straβe” hängen. Das Umdeuten von negativen in positive Aussagen ist übrigens auch eine Vorgehensweise beim neurolinguistischen Programmieren , kurz NLP genannt, und heiβt dort Refraiming.
Lerntypen und ihre Vorlieben
Auch das Wissen um den eigenen Lerntyp trägt zum gehirngerechten Lernen bei. Denn Lerner haben verschiedene Vorlieben und benutzen nicht die gleichen Lerneingangskanäle. Während der eine seine Wahrnehmung auf das Hören konzentriert, also ein auditiver Lerntyp ist, lernen andere, visuelle Lerntypen eher über die Augen. Und Lerner, die gerne etwas in die Hand nehmen, um es im wahrsten Sinne des Wortes zu ‚begreifen‘ werden als kinästhetische Lerntypen bezeichnet. Natürlich kommen diese Lerntypen selten isoliert, sondern meist in einer Kombination vor. Andere Lernforscher, wie Howard Gardner, unterscheiden noch andere Lerntypen, wie etwa den intrapersonellen, Ich-Lerntyp, und den interpersonellen Lerntyp, oder Menschen-Lerntyp, je nach dem, ob jemand vorzugsweise allein lernt und sich gerne Zeit zum Nachdenken nimmt, oder lieber mit anderen gemeinsam, durch interagieren und erklären, lernt. Darüber hinaus wird bisweilen auch zwischen einem verbal-sprachlichen Lerntyp (Wörter-Lerntyp) und einem logisch-mathematischen (Zahlen-Lerntyp) unterschieden. Doch alle, die beim Lernen Probleme haben, scheinen sich in der ziemlich gleichen Sackgasse zu befinden, dass sie nämlich versuchen mit Methoden weiterzukommen, die zwar bei anderen gut funktionieren oder im Unterricht überwiegen, aber nicht ihren eigenen Stärken entsprechen. Klarheit über den eigenen Lerntyp und die Entwicklung von persönlichen, den individuellen Vorlieben entsprechenden Lernstratgien erleichtern das Lernen.
Lesetipps zum Thema gehirngerechtes Lernen
Wer mehr über gehringerechtes Lernen lesen will, dem seien die sehr praxisnahen und immer noch wegweisenden Bücher von V. Birkenbihl, wie etwa „Stroh im Kopf – Gebrauchsanleitung fürs Gehirn“, oder: „Stichwort Schule – Trotz Schule lernen“ (München 1995) sowie von T. Buzan, wie „Kopftraining, Anleitung zum kreativen Denken, Tests und Übungen“, empfohlen, auf denen auch die obigen Ausführungen basieren.
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